Auf der Suche der Weisheits-Kraft von Gesellschaft – Teil 2

Von Sabine Rolf / 4. Mai, 2017

 

Heute gibt es den 2. Teil aus der Shambhala Köln Blogserie “Auf der Suche der Weisheitskraft von Gesellschaft” von Sabine Rolf. Acharya Sabine Rolf untersucht in dieser Reihe, wo uns die Kräfte des Zusammenlebens formen und wie wir durch eigene Wachheit dazu beitragen können, in unserer direkten Umgebung Weisheit und Mitgefühl in uns selbst und im Umgang mit anderen zu erwecken. Die Shambhala-Tradition der Sichtweise von Grundlegender Gutheit besagt, dass uns als Menschen auf fundamentale Weise Weisheit und Freundlichkeit innewohnt. Diese Sicht lädt uns ein, uns und unser Leben wach und erfüllt zu erleben. Zentrale Bedeutung kommt dabei der Meditation zu, als Übung, in der wir direkt und praktisch Kontakt machen können zur eigenen Erfahrung dieser Gutheit. Als Shambhalianer verstehen wir uns ausdrücklich als Teil von Gesellschaft; wir versuchen nicht, unsere alltägliche weltliche Erfahrung von unserem spirituellen Pfad zu trennen.

 

Im 2. Teil geht es heute um das Thema “Arbeit und Beruf” und Acharya Sabine Rolf schreibt dazu:

 

“Arbeit und Beruf”

Im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten ist das Arbeitsleben heute hochkomplex und sehr vielgestaltig – wahrscheinlich gab es noch nie so viele Berufe und Bereiche wie heute, in denen die Menschen beschäftigt sind. Unser Berufsleben beansprucht einen massiven Anteil unserer Lebenszeit und -energie. Der Bereich von Arbeit und Beruf ist verbunden mit der Notwendigkeit des Einzelnen, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, als auch mit dem Wunsch, seinen Platz einzunehmen, im eigenen Leben und in der Gesellschaft. Gleich ob vor 500 Jahren oder heute, ob wir lohnabhängig oder selbstständig arbeiten, im Freien oder drinnen, körperlich oder geistig, allen Arbeitsplätzen ist es gemein, dass wir unsere Arbeit in einem Netzwerk anderer Arbeitsleistungen erbringen, die vor, um und nach uns erbracht werden. Die Arbeitswelt ist Ausdruck einer gigantischen Leistung des Menschen, seine Umwelt in seinem Sinne zu ‚schaffen’. In dieser Welt spielt das Thema Macht eine gewaltige Rolle. Die Weisheitsenergie der Arbeit drückt sich darin aus, im Miteinander Dinge zu bewerkstelligen, Neues zu entwickeln und voran zu bringen. Aus der Aktivität entstehen Team-Geist und Verantwortung, Selbstverwirklichung und Wohlstand. Wir handeln aus dem Verständnis unserer Verbundenheit und nach der Überzeugung ‚Mehr für Dich ist auch mehr für Mich’. Einzelkämpfertum und Kontrolle, bzw. Techniken zur Vermeidung von Unsicherheit, sind der verwirrte Zugang zu dieser Welt. Wirtschaft, die ohne Ende Wachstum fordert, diktiert Steuerungsprinzipien von Profit, Effizienz und Wettbewerb. Die (unhinterfragte) Angst ‚nicht zu genügen’, treibt uns in Zeitdruck, Aggression und Stress. Eng getaktete Arbeitstage, dominante Hierarchien und Humorlosigkeit sind keine Anzeichen des Erlebens einer befriedigenden Arbeitswelt. Das verwirrte Verständnis gesellschaftlicher Schaffenskraft verliert die Sicht auf Gemeinwohl und Verbundenheit und ist geprägt von Ungerechtigkeit in der Verteilung des Wohlstandes. Lebenswege als ‚Gewinner’ oder ‚Verlierer’ sind damit bereits für Kinder vorgegeben. Die Gier nach Profit und damit einhergehende Verantwortungslosigkeit und Ignoranz führen zu Ausbeutung unseres eigenen Planeten und des Lebens darauf.
Wie erschließen wir uns persönlich in diesem scheinbar unwirtlichen Feld die Möglichkeit, im Sinne einer ‚Berufung’ zu arbeiten, im Einklang mit dem, was wir gut können und zu bieten haben? Wie laden wir Werte wie bedeutsame Zusammenarbeit, soziale und umweltgerechte Verantwortlichkeit, Selbstbestimmung und Menschlichkeit in unsere Berufswelt ein? Wie können wir unsere Kinder ermutigen, sich in der Arbeit mit Anderen selbst zu vertrauen? Wir erfahren die tiefe Kraft der Verbundenheit mit uns selbst und unserer Umwelt, wenn wir die Gelegenheit haben, den Strom der Getriebenheit zu unterbrechen, wenn wir direkt untersuchen können, welchen Einfluss wir auch auf unsere Welt haben, aufgrund dieser Verbundenheit. Die Übung von Meditation bereitet den Boden für Achtsamkeit, das Auftauchen ins ‚Jetzt’. Das üben wir auf dem Kissen für den Alltag. Zum Beispiel können wir wach werden für das Narrativ, mit dem wir uns selber vom ‚Mehr für Mich ist weniger für Dich’ überzeugen. Wir können für zeitweilige Unterbrechungen dieses Narrativs sorgen, für uns selbst und im direkten Zusammenhang unserer Erwerbswelt. Inmitten eines anstrengenden Meetings einige Atemzüge bewusst zu erleben, kann unser Herz und unser Denken weit werden lassen; ein Raum entsteht, in dem Mitgefühl und wahre Kommunikation natürlich auftauchen können. Wir können es zu unserem ‚Unternehmen’ machen, unseren Mitstreitern direkte Freundlichkeit und Wertschätzung zu zeigen. Unterbrechungen von beruflicher Dynamik und Effizienz zu erschließen heißt vielleicht auch, sich immer mal wieder längere Auszeiten zu nehmen, für Kontemplation und tiefere Innenschau, über den ‚Tellerrand’ hinaus: Wie gefällt mir mein gegenwärtiges Berufsleben eigentlich wirklich?
Last, but not least: Lasst uns im Alltag den Humor als ein geschicktes Mittel erkennen und kultivieren – als etwas, das die scheinbare Festigkeit der herrschenden Ellbogen-Mentalität unterbricht (siehe: Toni Erdmann)!

Text: Sabine Rolf

Bild: Hiltrud Enders (Miksang Lehrerin)

Blog Redakteur: Dennis Engel

 

Über Sabine Rolf

Sabine Rolf ist 56 Jahre alt. Sie ist Germanistin und Philosophien und arbeitete in Leitungsteams von Bildungsträgern im Umweltbereich- und der Erwachsenenbildung. Sie ist Acharya in der Shambhala-Linie und lehrt europaweit zu Themen des Buddhismus, Shambhala und der Kontemplativen Psychologie, sowie Seminare zur achtsamen Kommunikation. Seit 1990 ist sie Shambhala Buddhistin. Als Kind liebte sie schon Geschichten von Jesus Christus und anderen Heiligen. Dann als Erwachsene weiter auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, blieben ihre Fragen zunächst jedoch im Philosophie- und Literaturstudium unbeantwortet. Als sie dann im Januar 1990 zufällig ein Shambhala 1 Wochenende in Hamburg besuchte, wusste sie, hier ist das was sie suchte. Nachdem sie viele Jahre in Köln wohnte, lebt sie nun in Ostwestfalen. Sie besucht das Kölner Shambhala Zentrum immer noch gerne und regelmäßig, um dort Seminare und die Lehrerjahresgruppe zu unterrichten.