Auf der Suche der Weisheits-Kraft von Gesellschaft – Teil 3

Von Sabine Rolf / 7. Juni, 2018

Heute gibt es den 3. Teil aus der Shambhala Köln Blogserie “Auf der Suche der Weisheitskraft von Gesellschaft” von Sabine Rolf. Acharya Sabine Rolf untersucht in dieser Reihe, wo uns die Kräfte des Zusammenlebens formen und wie wir durch eigene Wachheit dazu beitragen können, in unserer direkten Umgebung Weisheit und Mitgefühl in uns selbst und im Umgang mit anderen zu erwecken. Die Shambhala-Tradition der Sichtweise von Grundlegender Gutheit besagt, dass uns als Menschen auf fundamentale Weise Weisheit und Freundlichkeit innewohnt. Diese Sicht lädt uns ein, uns und unser Leben wach und erfüllt zu erleben. Zentrale Bedeutung kommt dabei der Meditation zu, als Übung, in der wir direkt und praktisch Kontakt machen können zur eigenen Erfahrung dieser Gutheit. Als Shambhalianer verstehen wir uns ausdrücklich als Teil von Gesellschaft; wir versuchen nicht, unsere alltägliche weltliche Erfahrung von unserem spirituellen Pfad zu trennen.

Im 3. Teil geht es heute um das Thema “Freizeit und Kultur/Kunst” und Acharya Sabine Rolf schreibt dazu:

“Freizeit und Kultur/Kunst”

Die Kunst, Mensch zu sein, wird als Weisheits-Energie von allen Traditionen durch alle Zeiten transportiert; der Wille zu gestalten zeigt sich in den Zeugnissen aller Kulturen. Kulturleistungen sind alle formenden Fähigkeiten und Gewohnheiten, der Mensch sich als Glied der Gesellschaft angeeignet hat: Kochtöpfe, Häuser- und Gartenanlagen, Tanz, Arbeit, Urlaub, Schule, Theater, Gefängnisse, Bibliotheken, Krankenhäuser, Schulen, Museen, Restaurants, usw..  Kultur durchströmt die Gesellschaft als unerschöpfliche Kreativität und spontane Ausdrucksfreude. Die Rituale und Zeremonien, die wir in unserer Freizeit entwickeln, künden von den Werten in unserem Leben: welche Nahrung wir essen, womit wir unsere ‚freie’ Zeit verbringen, welche Entscheidungen wir wieder und wieder treffen, bewusst oder unbewusst. Die Werte enthüllen unsere Sicht über uns selbst und die Gesellschaft: sie erzählen, ob wir uns als Teilhaber menschlicher Weisheit und Kunst oder als Erbe von Sünde und Unvollkommenheit verstehen.

„Achtsamkeit ist die Fähigkeit, unser Leben von Moment zu Moment zu würdigen.“ (Sakyong Mipham Rinpoche)

Wie wir im Miteinander, als Gesellschaft gute Situationen schaffen oder auf schwierige Situationen reagieren, wird maßgeblich bestimmt vom Grad der Offenheit und Wertschätzung, die wir uns selbst und unserer Umgebung entgegenbringen. Für die Meisten von uns existieren die Räume für Offenheit und Reflexion in der ‚freien’, nicht fremdbestimmten Zeit, jenseits von Hektik und Effizienz der Arbeitswelt. Der verwirrte Zugang zu dieser Freizeit-Welt empfindet offenen Raum als Zeit, die es gilt ‚totzuschlagen’. In der befürchteten Langeweile könnten Gefühle wie Angst, Sorgen und Zweifel auftauchen. Um das zu verhindern, lenken wir uns lieber ab, irgendwie. Wir lassen uns ‚unterhalten’, um einen undefinierten Hunger nach Nähe zu stillen und scheinbar direkter Empfänger zu sein, etwa vom Glanz und Glamour der Medienwelt. Wir shoppen, trinken, essen, was das Zeug hält, um innere und äussere Räume zu füllen, deren Tiefe auszuloten wir zurückschrecken. Wer sind wir, wenn wir nichts zu tun haben? Ausserhalb der Arbeitszeit, keine Telefonate und keine Wäsche zu waschen?  Woran erfreuen wir uns? Was entspannt oder erfrischt uns? Wie kreieren wir den Ausgleich von Fremdbestimmung und Selbstbestimmung? Schauen wir uns doch einmal um in unserem Leben: wie fühlt sich Kreativität an? Wo erfahre ich die Freude des Gestaltens, des absichtslosen Selbstausdrucks oder der kreativen Ausschöpfung meiner eigenen Quellen? Wie ‚erschaffe’ ich meine Umwelt? Die Kunst, Mensch zu sein, versteht, dass unsere Empfindungen nicht ‚perfekt’ oder ‚folgerichtig’ sein müssen, sie erlaubt und ermächtigt den Ausdruck der feinen Wahrnehmung des Widersprüchlichen, Unfertigen, Brüchigen, Zarten, und erlaubt dadurch die direkte Übermittlung und Verbundenheit zwischen den Menschen. Sie schöpft ihre Energie und Kraft aus dem offenen Raum, den Momenten jenseits von Kontrolle, in die wir einfach hineinspringen können, ohne vorher das Ergebnis zu kennen. Beispiele dafür sind ein leeres Blatt, vor dem wir sitzen, und der Moment, bevor unser Stift oder Pinsel es berühren – oder der Augenblick im Angesicht einer Frage, auf die wir nicht vorbereitet sind – der Moment in der Tanz mit einem nicht gekannten Partner beginnt …

 

Text: Sabine Rolf

Bild: Hiltrud Enders (Miksang Lehrerin)

Blog Redakteur: Dennis Engel

 

Über Sabine Rolf

Sabine Rolf ist 56 Jahre alt. Sie ist Germanistin und Philosophien und arbeitete in Leitungsteams von Bildungsträgern im Umweltbereich- und der Erwachsenenbildung. Sie ist Acharya in der Shambhala-Linie und lehrt europaweit zu Themen des Buddhismus, Shambhala und der Kontemplativen Psychologie, sowie Seminare zur achtsamen Kommunikation. Seit 1990 ist sie Shambhala Buddhistin. Als Kind liebte sie schon Geschichten von Jesus Christus und anderen Heiligen. Dann als Erwachsene weiter auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, blieben ihre Fragen zunächst jedoch im Philosophie- und Literaturstudium unbeantwortet. Als sie dann im Januar 1990 zufällig ein Shambhala 1 Wochenende in Hamburg besuchte, wusste sie, hier ist das was sie suchte. Nachdem sie viele Jahre in Köln wohnte, lebt sie nun in Ostwestfalen. Sie besucht das Kölner Shambhala Zentrum immer noch gerne und regelmäßig, um dort Seminare und die Lehrerjahresgruppe zu unterrichten.