Archiv der Kategorie: Blog

Shambhala und Gesellschaft

Von Ivan Tröscher/ 14. November, 2016

Heute gibt es einen weiteren Beitrag aus der Serie “Shambhala und Gesellschaft”. In dieser Serie werden in regelmäßigen Abständen Mitglieder aus der Shambhala Köln Sangha, ihre ganz persönlichen Gedanken veröffentlichen, wie sie den Shambhala Buddhismus mit der heutigen Gesellschaft und ihrem Alltag verbinden.

 

Heute schreibt Ivan Tröscher dazu:

Ein Freund hat mich gefragt, ob ich zum Thema Shambhala und Gesellschaft beitragen würde. Ich habe zugesagt. Danach wurde mir sofort klar, wie schwierig es für mich ist, dieses in Worte zu fassen. Auf der einen Seite habe ich meine Erfahrung mit formeller Meditationspraxis, die für mich bedeutende Übung darin ist, mehr und mehr zu sehen und zu spüren, innerlich und äußerlich, ohne Kampf, wie meine Welt tatsächlich ist. Auf der anderen Seite habe ich meine Wahrnehmung einer menschlichen Gesellschaft die mir, wenn ich ehrlich bin, im Großen und Ganzen ziemlich zerspalten, zutiefst verwirrt, und destruktiv zu sein erscheint. Ist das was zu sehen ist? Soll ich das akzeptieren? Was bedeutet für mich in dieser Hinsicht eine Botschaft wie Grundlegende Gutheit? Wie kann ich meine persönliche Praxis mit meinem tiefen Zweifel an der Gesellschaft in Einklang bringen? Es ist meine Auffassung dass alle Menschen (alle Wesen), eine Sehnsucht nach Frieden und sich Wohlfühlen in sich haben. Der Weg dorthin aber ist strittig oder unklar. Für viele endet die Konfrontation mit diesem überwältigenden Zustand oft in Resignation, im Zurückziehen oder aggressiven Kampf dagegen. In so vielen brennenden sozialen Fragen, zu denen die verschiedenen Sichtweisen scheinbar entgegengesetzt sind, gibt es immer noch diesen gemeinsamen Wunsch, Frieden zu erfahren. Das ist für mich der wesentliche Punkt. Für mich ist der Weg, Offenheit und Vertrauen in meine eigene persönliche Erfahrung zu haben, die unterschiedliche und reiche Erfahrung anderer Menschen wertschätzend anzuerkennen, und die Pracht und die Stärke der Welt und sogar des Universums zu sehen. Letzten Endes sind wir doch vom Ganzen getragen. Wenn es mir gelingt, habe ich erfahren, dass inspirierte Kommunikation stattfindet kann. Für mich, heute, ist das ein Ausdruck von Spiritualität, ganz einfach. Wenn ich es schaffe mich in meiner Welt so zu bewegen, merke ich, dass meine Beziehung zu anderen frische Wendungen nehmen kann, auch wenn ich mich gleichzeitig unsicher fühle wo das alles hinführt. Reicht das aus, eine weitreichende Wirkung in der Gesellschaft zu haben? Ich habe keine zufriedenstellende Antwort, aber ich werde dran bleiben.

 

Text: Ivan Tröscher
Bild: Shambhala Köln & Ivan Tröscher
Blog Redakteur: Dennis Engel

 

Über Ivan Tröscher

ivantroescherIvan Tröscher ist 50 Jahre alt. Er ist Schreiner von Beruf, Ehemann, Vater, Aikido Schüler und seit 2005 Mitglied bei Shambhala Köln. Nachdem er das Buch von Trungpa Rinpoche „Spirituellen Materialismus durchschneiden“ gelesen hat, lernte er kurz im Anschluss danach Archarya David Schneider kennen. Die Bücher von Trungpa Rinpoche haben einer Wahrheit Worte gegeben, die für ihn eine Bestätigung waren, für die Gedanken und Gefühle die er immer schon hatte, weil er sich sehr oft einsam in der Welt gefühlt hat. Er ist aktiv als Meditationsanweiser und außerdem Teilnehmer der Lehrerjahresgruppe im Kölner Shambhala Zentrum und würde sich freuen, die Shambhala Lehren irgendwann auch geschickt weitergeben zu dürfen.

 

Shambhala und Gesellschaft

Von Heimo Fischer/ 30. Oktober, 2016

Heute gibt es einen weiteren Beitrag aus der Serie “Shambhala und Gesellschaft”. In dieser Serie werden in regelmäßigen Abständen Mitglieder aus der Shambhala Köln Sangha, ihre ganz persönlichen Gedanken veröffentlichen, wie sie den Shambhala Buddhismus mit der heutigen Gesellschaft und ihrem Alltag verbinden.

Heute schreibt Heimo Fischer dazu:

Vor kurzem bin ich auf meinem Computer durch die Urlaubsfotos dieses Sommers gestreift. Ein Bild von Dechen Chöling erinnerte mich, wie ich dort im Juli das Shambhala-Festival „Célebrer la vie“ besucht habe. Es ist eines der wenigen Programme in Dechen Chöling, die nicht auf Englisch, sondern auf Französisch gelehrt werden. Deshalb fehlt es wahrscheinlich in manchen europaweiten Ankündigungen. Schade, denn die Veranstaltung ist offen für alle. Wer kein Französisch kann, erhält eine Übersetzung ins Englische. Ich fand das sehr erfrischend. Denn obwohl ich die englische Sprache mag, bin ich oft irritiert, wie achtlos Shambhalier Begriffe oder Abkürzungen aus dem Englischen übernehmen, obwohl es passende Bezeichnungen in ihrer Muttersprache gibt. Da ich einige Jahre in Paris gelebt und dort im Zentrum praktiziert habe, weiß ich, dass es gerade in Frankreich viele Menschen gibt, die dieser unachtsame Umgang mit Sprache stört, manchmal sogar verletzt. Auch dieser Umstand, vermute ich, war ein Grund, dieses Festival so zu organisieren, dass die englische Sprache eine Nebenrolle spielt. Sprachen zeigen auf wunderbare Weise, wie vielfältig die Menschen sind. Bei dem Shambhala-Festival kamen diese Unterschiede besonders zum Tragen. Unter den Teilnehmern waren nicht nur Leute aus Frankreich, sondern auch aus Großbritannien, Spanien, den Niederlanden und Deutschland. Sehr berührt hat mich eine Meditationssitzung, an deren Ende die Opferung des Verdienstes in vier verschiedenen Sprachen vorgetragen wurde. Dieser Respekt vor dem besonderen und persönlichen Hintergrund eines jedes Menschen ist für mich ein wichtiger Teil von Shambhala. Begegnungen mit der Vielfalt des Lebens waren das Thema des Festivals. Zwischen kurzen Meditationssitzungen machte Catherine Eveillard als Lehrerin die Neueinsteiger mit den Grundlagen von Shambhala vertraut. In Workshops am Nachmittag entschieden sich die Teilnehmer für ein bevorzugtes Thema. Man konnte lernen, ein guter Gastgeber zu sein, Ausdruckstanz üben, kreatives Schreiben oder eine besondere Form von Yoga. Nicht nur die Tage des Festivals waren voll. Jeden Abend sprachen Referenten aus ganz unterschiedlichen Bereichen über das Projekt ihres Lebens. Ein Franziskaner-Mönch erläuterte seine botanischen Forschungen, eine Referentin erzählte, was sie während eines mehrmonatigen Aufenthalts bei Ureinwohnern im Amazonas-Gebiet gelernt hatte und ein ehemaliger Geschäftsmann erklärte, warum er ausstieg und heute ein autonom bestehendes Öko-Dorf aufbaut. Im Zentrum des Festivals stand die Idee, über diese Themen ins Gespräch miteinander zu kommen – egal, in welcher Sprache. Das wirkte vor allem während der Arbeit in kleinen Gruppen erstmal umständlich. Wer konnte, half mit Übersetzungen in und von Sprachen aus, die er beherrschte. Nur über Umwege erreichten Aussagen so ihre Empfänger. Nach einigen Tagen spielte sich das System ein und immer mehr Leute probierten sich in Sprachen aus, die sie glaubten, nur bruchstückhaft zu beherrschen. Es zeigte sich, dass sprachliches Vermögen nicht nur eine Frage des Könnens, sondern auch des Trauens ist. Im Ohr habe ich noch das Bekenntnis einer Französin, die am letzten Tag sagte, sie habe zum ersten Mal seit der Schule Englisch gesprochen – aber dieses Mal ohne Angst, einen Fehler zu machen. Bei Shambhala sprechen wir viel darüber, die Gesellschaft menschlicher zu machen. Mir hat das Festival eine Ahnung gegeben, wie ein Weg dahin aussehen könnte.

 

Text: Heimo Fischer
Bild: Shambhala Köln & Heimo Fischer
Blog Redakteur: Dennis Engel

img_8313Heimo Fischer ist 52 Jahre alt. Er ist Journalist und seit 2004 Mitglied bei Shambhala Köln. Er war auf der Suche nach einer Gemeinschaft, in der er lernen konnte zu meditieren. Nach mehrmonatiger Suche und einem kurzen Abstecher zu den Zen-Buddhisten, ist er beim Shambhlala Buddhismus gelandet. Er arbeitet im Kölner Zentrum in einer Taskforce mit, die Räume für das neue Shambhala Zentrum gesucht hat und nun den Umzug plant. Vergangenes Jahr hat er an der Ausbildung zum Shambhala-Guide teilgenommen und beteiltigt sich zudem an einer Gruppe, die einmal im Monat den offenen Meditationsabend am Donnerstag organisiert. Ein bis zweimal im Jahr koordiniert er auch Programme

 

Inspiration für den Alltag

Von Dennis Engel / 23. Oktober, 2016
Heute gibt es in der Rubrik “Inspiration für den Alltag” eine kurze Geschichte von Pema Chödrön. Einfach mal nachspüren und schauen was es im Alltag mit uns macht.

 

Letzte Woche war ich zum Meditieren für 3 Tage in einem Einzelretreat. Während der Meditationssitzungen habe ich zwischendurch mit der Meditation gestoppt, um mit kurzen Texten aus einem Buch von Pema Chödrön zu arbeiten. Ich hielt meine Meditationübung an, las mir immer wieder ein paar Zeilen aus Ihrem Buch laut vor um es zu kontemplieren, ließ die Textzeilen anschließend wieder los und machte mit der Meditationspraxis weiter. Dabei stieß ich auf diese wunderbare Kurzgeschichte, die immer wieder in meinem Geist auftauchte, als ich abgelenkt war und mir so half, wieder zurückzukommen und neugierig und offen für das “Jetzt” zu sein:

Jetzt

Es war einmal eine ziemlich überhebliche und stolze Dame. Sie war entschlossen, Erleuchtung zu erlangen, und sie fragte alle Autoritäten, wie man das anstellt. Man sagte ihr: “Nun, wenn du auf den Gipfel dieses hohen Berges dort kletterst, dann wirst du dort oben eine Höhle finden. In der Höhle sitzt eine weise alte Frau. Sie wird es dir verraten.” Nach einem überaus beschwerlichen Aufstieg fand die Dame schließlich zu dieser Höhle. Und tatsächlich, in der Höhle saß eine freundliche, spirituell aussehende alte Frau in weißen Gewändern mit glückseligen Lächeln auf dem Antlitz. Von Ehrfurcht und Respekt überwältigt, warf die Dame sich zu Füßen der alten Frau nieder und sagte: “Ich will Erleuchtung erlangen. Zeigt mir, wie man das macht.” Die weise Frau sah sie an und sagte gütig: “Bist du sicher, daß du Erleuchtung erlangen willst?” Und die Dame antwortet: “Aber gewiß, ich bin ganz sicher.” Da verwandelte die lächelnde alte Frau sich in einen Dämon, der sich erhob, einen riesigen Stock schwingend hinter ihr her jagte und schrie: “Jetzt!Jetzt!Jetzt!” Für den Rest ihres Lebens wurde die Dame diesen Dämon nicht mehr los, der ständig sagte:”Jetzt!”

Nun, das ist der Schlüssel. Die Übung der Achtsamkeit schult uns dazu, in Hinsicht auf das Jetzt wach und lebendig und neugierig zu sein. Ausatmen ist jetzt, einatmen ist jetzt, aus unseren Phantasien erwachen ist jetzt, und selbst die Phantasien sind jetzt. Je vollständiger Sie ganz jetzt sein können, desto deutlicher erkennen Sie, daß Sie ständig in der Mitte eines heilgen Kreises stehen. Und das ist keine kleine Sache, ob sie nun gerade die Zähne putzen, auf Ihr heißes Essen pusten oder Ihren Hintern abwischen. Was immer Sie tun, tun Sie jetzt.

Aus: „Die Weisheit der Ausweglosigkeit“ von Pema Chödrön  (erschienen im „Arbor“ Verlag)

Viel Freude beim Lesen und Kontemplieren der Geschichte. Habt einen schönen Sonntag,

Euer Shambhala Köln Blog

 

Text: Pema Chödrön / Dennis Engel

Bild: Dennis Engel

Blog Redakteur: Dennis Engel

Über Dennis Engel

Dennis EngelDennis Engel ist 43 Jahre alt. Er ist Kundenbetreuer im Mobilfunkbereich und unterrichtet freiberuflich Meditation und Qi Gong. Seit 2008 ist er Mitglied bei Shambhala und durch Bücher von Pema Chödrön zum Shambhala Buddhismus gekommen. Er ist in der Kölner Shambhala Sangha als Meditationsunterweiser und Koordinator aktiv und Redakteur des Shambhala Köln Blog.

Inspiration für den Alltag

Von Dennis Engel / 14. Oktober, 2016
Heute gibt es in der Rubrik “Inspiration für den Alltag” eine kurze Textpassage von Pema Chödrön mit anschließenden Fragen zum Kontemplieren. Einfach mal nachspüren und schauen was es im Alltag mit uns macht.

 

Immer wieder im Herbst wird mir das Thema “Vergänglichkeit” bewusst. Man kann im Herbst die wunderschönen, bunten Blätter bewundern, und gleichzeitig ist es auch das Ende des Sommers. Der Sommer ist für mich immer der höhe Punkt des Jahres, der Lebendigkeit. Der Herbst ist der Übergang zum Winter, einer Zeit der Stille und Ruhe. Aus diesem Grunde habe ich geschaut, was unseren wundervollen Shambhala Lehrer zu diesem Thema sagen, und fand diese tollen Worte zum Thema “Vergänglichkeit” von Pema Chödrön:

 

Vergänglichkeit

Der Buddha lehrte, daß es drei Grundcharakteristika des Lebens aller Lebewesen gibt: Vergänglichkeit, Ichlosigkeit und Leiden oder Ungenügen. Nach Aussage Buddhas ist das Leben aller Wesen durch diese drei Eigenschaften gekennzeichnet. Wenn wir diese Eigenschaften in unserer eigenen Erfahrung als wirklich und wahr erfahren, dann hilft uns das, mit den Dingen, wie sie sind, im reinen zu sein. Das erste Kennzeichen ist Vergänglichkeit. Daß nichts statisch oder fest ist, daß alles fließend und vergänglich ist, ist das erste Kennzeichen der Existenz. Wir brauchen keine Mystiker oder Physiker zu sein, um das zu wissen. Und doch sträuben wir uns auf der Ebene unserer persönlichen Erfahrung, diese grundlegende Tatsache anzuerkennen. Das heißt nämlich, daß es nicht nur Gewinn, sondern auch Verlust gibt – und das mögen wir gar nicht. Wir wissen, daß alles vergänglich ist; wir wissen, daß alles sich abnutzt. Auch wenn wir dieser Wahrheit intellektuell zustimmen mögen, haben wir doch emotional eine tiefverwurzelte Abneigung dagegen. Wir wollen Dauer; wir erwarten Dauer. Es ist unsere ganz natürliche Neigung, Sicherheit zu suchen. Und wir glauben daran, daß wir sie finden können. Auf der Ebene des Alltags erfahren wir Vergänglichkeit als Frustration. Also benutzen wir unsere alltäglichen Aktivitäten als Schutzschild gegen die grundlegende Ungewißheit unserer Situation und verwenden unglaubliche Energie auf den Versuch, Vergänglichkeit und den Tod abzuwenden. Wir mögen es nicht, daß die Form unseres Körpers sich verändert. Es gefällt uns nicht, daß wir altern. Wir fürchten uns vor Falten und schlaffer Haut. Wir benutzen Nahrungsergänzungsmittel, als glaubten wir tatsächlich, daß gerade unsere Haut, unser Haar, unsere Augen und Zähne auf wundersame Weise der Wahrheit der Vergänglichkeit entgehen können. Die buddhistischen Lehren zielen darauf ab, uns von dieser beschränkten Sicht der Dinge zu befreien. Sie ermutigen uns, uns allmählich und aus ganzen Herzen mit der gewöhnlichen und offenkundigen Wahrheit des Wandels anzufreunden. Diese Wahrheit anzuerkennen bedeutet nicht, daß wir schwarz sehen müssen. Es bedeutet nur, daß wir eines zu verstehen beginnen: Wir sind nicht die einzigen, denen es nicht gelingt, alles nach ihrer Pfeiffe tanzen zu lassen. Wir glauben einfach nicht mehr daran, daß es irgendwo Menschen geben könnte, denen es gelingt der Ungewißheit und Ungesichertheit zu entgehen.

Aus: „Die Weisheit der Ausweglosigkeit“ von Pema Chödrön  (erschienen im „Arbor“ Verlag)

 

Nimm dir einen Moment Zeit und kontempliere folgende Fragen:

1.) Wie kann ich es schaffen immer wieder loszulassen, um so den jetzigen Moment wertschätzen zu können, so wie er gerade ist ?

2.) Wenn wir aufhören ständig an vergangenen Momenten zu haften oder sie zu bewerten, können wir dann nicht vielmehr spüren wie kostbar jeder Augenblick ist ?

 

Viel Freude beim Lesen und kontemplieren der Fragen. Habt ein schönes Wochenende,

Euer Shambhala Köln Blog

 

Text: Pema Chödrön / Dennis Engel

Bild: Dennis Engel

Blog Redakteur: Dennis Engel

Über Dennis Engel

Dennis EngelDennis Engel ist 43 Jahre alt. Er ist Kundenbetreuer im Mobilfunkbereich und unterrichtet freiberuflich Meditation und Qi Gong. Seit 2008 ist er Mitglied bei Shambhala und durch Bücher von Pema Chödrön zum Shambhala Buddhismus gekommen. Er ist in der Kölner Shambhala Sangha als Meditationsunterweiser und Koordinator aktiv und Redakteur des Shambhala Köln Blog.

Shambhala und Gesellschaft

 

 

Von Gerlinde Pilgrimm/ 6. Oktober, 2016

 

Heute gibt es einen weiteren Beitrag aus der Serie “Shambhala und Gesellschaft”. In dieser Serie werden in regelmäßigen Abständen Mitglieder aus der Shambhala Köln Sangha, ihre ganz persönlichen Gedanken veröffentlichen, wie sie den Shambhala Buddhismus mit der heutigen Gesellschaft und ihrem Alltag verbinden.

Heute schreibt Gerlinde Pilgrimm dazu:

Als ich vor 21 Jahren Kontakt mit Shambhala machte, war ich eine glühende politische Aktivistin. Ich konnte den Schmerz, der für mich von “Gesellschaft” ausging, gar nicht ertragen. Damit meine ich die grotesken Ungerechtigkeiten in der Welt wie Hunger, Elend, Quälerei und der ganze Irrsinn mit der Umweltzerstörung. Es quälte mich körperlich. Als ich auf Shambhala traf, ging eine neue Dimension für mich auf und es war klar, dass man nicht für Frieden kämpfen kann. Ich war davon beseelt, mein Leben selbstverantwortlich so in die Hand zu nehmen, dass ich mehr die Lösung SEIN konnte, die ich suchte. Mein Mann und ich bauten die erste Demeter-Farm in Nova Scotia, Kanada auf: Ich wollte im Herzen von Shambhala leben! Ich träumte von erleuchteter Landwirtschaft, was ein großes Thema und ein riesiger Job war. Shambhala und die Gesellschaft wurden mehr denn je meine Triebfeder und trotz eines extremen Arbeitstages, habe ich eigentlich immer eine regelmäßige Meditationspraxis aufrechterhalten können. Sie führte mich und die Worte von Sakyong Mipham Rinpoche trafen mich wie ein sanfter Donner: Gesellschaft beginnt zwischen 2 Menschen! Die Landwirtschaft war ein Kampf und brachte mich genau an alle meine großen Themen: Sie sollte eine Manifestation, ein Ausdruck von “Gutheit” sein und dies führte mich immer weiter in mein eigenes “Inneres”. Als ich die Farm wegen Problemen aufgeben musste, ging ich wieder nach Köln zurück, wo ich nun Brötchen in einer Biobäckerei verkaufe. Ich habe die große Freude viel Zeit für das Shambhala Zentrum Köln zu haben, wo meine Sehnsucht nach “guter Gesellschaft” in Erfüllung geht. Dort kann ich vor allem Zuversicht, Kampflosigkeit und alltägliche, einfache Freundlichkeit üben und kultivieren. Für mich ist Gesellschaft viel mehr ein lebender Organismus geworden und eine Wertschätzung meiner selbst und des Menschen wie er ist. Ich habe mehr Geduld und Vertrauen, dass die “Fehlerhaftigkeit” und “Unzulänglichkeit”, die ich überall antreffe, nicht das grundlegende Problem sind. Seit ich fühle, dass der “Feind” nicht der Andere ist, und dass es vielleicht gar keinen Feind gibt, kann ich zufriedener und freundlicher mit allen sein. Die Angst vor Fehlern ist immer da, aber ich habe einen echteren Zugang gefunden. Irgendwie eine sanftere Möglichkeit, jederzeit wirklich in Kontakt zu gehen, mit mir und dem, was ist. Das Erlauben steht im Vordergrund und so entsteht eine viel grössere Welt. Die Angst ist immer mit dabei, aber viel vertrauter geworden. Und so fühle ich mich manchmal sogar wie eine Königin, auch wenn die Krone manchmal rutscht.

 

Text: Gerlinde Pilgrimm
Bild: Shambhala Köln & Gerlinde Pilgrimm
Blog Redakteur: Dennis Engel

Über Gerlinde Pilgrimm

KONICA MINOLTA DIGITAL CAMERA

KONICA MINOLTA DIGITAL CAMERA

Gerlinde Pilgrimm ist 50 Jahre alt. Sie ist Ethnologin, Altamerikanistin und seit 1995 bei Shambhala. Durch Ihren Tai Chi Lehrer ist sie zur Meditation und zum Shambhala Buddhismus gekommen. Als Sie das 1. Meditationswochenende (Shambhala Training 1) gemacht hatte, war es um Sie geschehen. Direkt am Freitagabend dieses Wochenendes, wusste sie sofort das, das die Dimension ist, die Sie immer gesucht hatte. Sie ist Mitglied des Kölner Shambhala Zentrum Rates. Dort erledigt sie Vereinsangelegenheiten, plant Programme und sorgt dafür, dass das Shambhala Curriculum umgesetzt wird. Außerdem ist sie Koordinator, kocht für Programme und gibt am Donnerstagabend Meditationsanleitungen.

Inspiration für den Alltag

Von Dennis Engel / 28. September, 2016

 

Heute gibt es wieder in der Rubrik “Inspiration für den Alltag” eine kurze Textpassage von Sakyong Mipham Rinpoche mit Fragen zum Kontemplieren. Einfach mal nachspüren und schauen was es im Alltag mit uns macht.

 

Das Leben ist ein Ritual

Wenn eine Gruppe von Menschen entscheidet, was wirklich ist, und diese Entscheidung dann in ein kollektives Ritual einbringt, wird dieses zur sozialen Realität, die unsere Privathäuser, unseren Arbeitsplatz, unsere Städte und Großstädte sowie unsere Nationen formt. Das Ganze basiert nicht nur auf den Vorstellungen eines einzigen Individuums, sondern auf einer kollektiven Vereinbarung, die in der Beziehung zwischen Überzeugungen und täglichem Handeln verankert ist. Ein gutes Beispiel hierfür ist unser moderner Kalender. Im Allgemeinen unterteilt der moderne Kalender die Woche in fünf Arbeitstage und zwei Ruhetage. In einigen Kulturen werden diese Ruhetage wiederum aufgeteilt in einen Tag für die Familie und einen Tag für die Religion. Als jedoch der Materialismus in den Vordergrund trat und Familie und Religion weniger wichtig wurden, galten die beiden Ruhetage als Tage für das Shopping, die Unterhaltung oder auch mehr Arbeit. In ihrem gegenwärtigen Ritual verbringt die Menschheit den größten Teil ihrer Zeit damit, Dinge herzustellen und Dinge zu kaufen. In diesem System sind persönliches Wachstum und Spiritualität keine Prioritäten mehr, da der Kalender nur noch wenig Raum dafür bietet, den Sinn des Lebens zu erforschen und das eigene Herz und den eigenen Geist weiterzuentwickeln. Mein Vater pflegte zu sagen: „Verlangen führt zu noch mehr Verlangen und nicht zu Befriedigung.“ Es ist die Wertschätzung, die zu Befriedigung führt, und sie basiert wiederum auf Achtsamkeit. Doch unser modernes Ritual ist von Tempo geprägt und das Verlangen lässt nur noch wenig Raum und Zeit für Wertschätzung. Wir fühlen uns nur selten zufrieden, und deshalb bekommen wir nie, was wir uns wünschen, weil wir unfähig sind, präsent zu sein. So baut sich langsam ein gewisses Maß an Unmut und Aggression auf, weil der menschliche Geist eigentlich jeden Tag Perioden der Befriedigung braucht, die jedoch nur im gegenwärtigen Augenblick zugänglich sind. Selbst wenn die Befriedigung nur darin besteht, ein Duschbad nehmen zu können, oder darin, dass wir doch noch rechtzeitig zur Arbeit gekommen sind, nachdem wir den Bus verpasst haben – wir brauchen im Lauf des Tages solch kleine Siege und müssen unser Leben genügend entschleunigen, um sie auch genießen zu können.

Aus: „Das Shambhala Prinzip“ von Sakyong Mipham Rinpoche  (erschienen im „Windpferd“ Verlag)

 

 

Nimm dir einen Moment Zeit und kontempliere folgende Fragen:

 

1.) Wie geht es mir gerade in diesem Augenblick? Fühle ich mich gestresst und bin auf der    Suche nach Ablenkung oder kann ich mich in diesem Moment entspannen so wie er ist?

2.) Wie kann ich mir Rituale schaffen die mich entschleunigen, um die alltäglichen Dingen mehr wertschätzen und genießen zu können ?

 

Viel Freude beim Kontemplieren und einen schönen Mittwoch,

Euer Shambhala Köln Blog

 

Text: Sakyong Mipham Rinpoche / Dennis Engel

Bild: Dennis Engel

Blog Redakteur: Dennis Engel

Über Dennis Engel

Dennis EngelDennis Engel ist 43 Jahre alt. Er ist Kundenbetreuer im Mobilfunkbereich und unterrichtet freiberuflich Meditation und Qi Gong. Seit 2008 ist er Mitglied bei Shambhala und durch Bücher von Pema Chödrön zum Shambhala Buddhismus gekommen. Er ist in der Kölner Shambhala Sangha als Meditationsunterweiser und Koordinator aktiv und Redakteur des Shambhala Köln Blog.