Shambhala und Kunst

In diesem neuen Blogbereich möchte der Shambhala Köln Blog Raum schaffen für die Kunst. Kunst ist ein anderer Weg “Grundlegende Gutheit” auszudrücken, sie erfahrbar zu machen und mit Ihr in Kontakt zu treten. Bei Shambhala gibt es viele Wege sich künstlerisch auszudrücken. Heute widmen wir uns den geschriebenen Worten, der Poesie.

 

Von Marc Matthies / 19. Januar, 2017

Herbstträume

Grau und staubig. Alles zertrümmert. Die Zeit und unser Raum. Das ist also der Bardo. Bardo-Zustände – jeder kennt sie, niemand will sie. Es liegen die Steine da; es gab Geschichten hier, viele Menschen gingen, um uns Platz zu machen. Die Wände eingerissen. Staubig und grau. Wie eine Baustelle immer so schnell staubig werden kann. Noch ist genug Licht um zu Sehen, gleich ist es dunkel, nicht genug Licht, um meine Gedanken zu sehen. Herbst.                   „Herbstzeitlose“ – was für ein Name!                                                                                                       Im Dunkeln atme ich noch immer Staub. Staubzeitlos. Nun legt sich etwas Staub auf meine Zunge. Jetzt im Dunkeln kann ich meine Gedanken nur noch hören. Es stehen Einige herum, in den Trümmern. Es gab zwei Wände, die die neuen Räume klein machten; jetzt sind die zwei Wände zertrümmert. Zu Staub. In einem grossen Raum werden die Gedanken größer, ja vielleicht wie Wein in Schläuchen, wie aufgeblasene Luftballons, rot manchmal in allen Farben. Doch jetzt, hier im Bardo ist alles grau. Und noch nicht einmal das. Das Licht, es ist aus. Es stehen Einige da und werfen eckige Schatten an die Wände, an die Wände, die noch stehen, an die Wände, die es noch nicht gibt. In den alten Räumen hat der Abbruch schon begonnen; auch dort? Wer weiß es? Ich sehe nichts. Doch es entstehen Raumfragen in meinen Geist. Auch dort weilt die „Herbstzeitlose“. Sie bringt den Bardo. Sie bringt die Trümmer. Staub und Grau.

Im Dunkeln höre ich Melodien und Gesang. Im Herbstlicht und in den Trümmern höre ich die Stimmen. Die Stimmen, die diese neuen Melodien formen. Menschliche Stimmen, sie singen in diesen Trümmern. Es ist ein Gesang wie Licht im Dunkeln. Eine Stimme und eine weitere Stimme, viel Stimmen – alle so liebevoll und zärtlich wie das Streicheln selbst. Jeder weiß wie es ist, am Lagerfeuer die Gemeinschaft zu spüren. Nur durch einige Melodien und gesungene Worten sind wir zu Menschen geworden. Einige Sprechen und andere hören zu. Auf die Trümmer legen sich zahllose feine Tropfen aus Musik. Unsere Lungen müssen keinen Staub mehr atmen. Ja, wir dürfen lachen. Und Worte wechseln. Die Lieder erzählen unsere Geschichte. Alle, alle unsere Erlebnisse sind wie ein feines Netz. Wir tänzeln auf unseren Worten und Erinnerungen, auf diesen feinen Linien, sie sind wie die Lungen, sie sind wie das Atemgewebe unserer Gemeinschaft. Obwohl wir uns so lange kennen, obwohl wir alle Seiltänzer des Geistes und des Herzens sind, verstehen wir uns manchmal nicht. Wir verlieren uns einige Momente im großen Raum. Und wenn wir eines Tages nach unten sehen werden, es ist die Zeit vor dem großen Fall, dann werden wir sehen, wie einst der Schutt im Dunkeln lag und wie wir in Kreisen unsere lichten Lieder sangen.

(c) Marc Matthies 2016 (Shambhala Köln Mitglied)