Auf der Suche der Weisheits-Kraft von Gesellschaft – Teil 1

 

Von Sabine Rolf / 7. Dezember, 2016

 

Heute startet eine neue 4-teilige Reihe im Shambhala Köln Blog. Acharya Sabine Rolf wird in dieser Reihe untersuchen, wo uns die Kräfte des Zusammenlebens formen und wie wir durch eigene Wachheit dazu beitragen können, in unserer direkten Umgebung Weisheit und Mitgefühl in uns selbst und im Ungang mit anderen zu erwecken. Die Shambhala Tradition der Sichtweise von Grundlegender Gutheit besagt, dass uns als Menschen auf fundamentale Weise Weisheit und Freundlichkeit innewohnt. Diese Sicht lädt uns ein, uns und unser Leben wach und erfüllt zu erleben. Zentrale Bedeutung kommt dabei der Meditation zu, als Übung, in der wir direkt und praktisch Kontakt machen können zur eigenen Erfahrung dieser Gutheit. Als Shambhalianer verstehen wir uns ausdrücklich als Teil von Gesellschaft; wir versuchen nicht, unsere alltägliche weltliche Erfahrung von unserem spirituellen Pfad zu trennen.

 

Im 1. Teil geht es heute um das Thema “Familie” und Acharya Sabine Rolf schreibt dazu:

 

“Die Familie”

Für die meisten von uns ist die Familie der erste und engste Bereich, in dem wir diese Sichtweise überprüfen möchten. Die Weisheits-Kraft der Familie ist die Liebe und das Gefühl von Zugehörigkeit. Mutter und Vater sind die Ersten, die uns als Kind beschützen und uns zeigen, wie wir uns in der Welt verhalten können, welche Werte von Wichtigkeit sind. In der Verbindung mit Bruder und Schwester lernen wir Andersartigkeit. Die Begleitung unserer Grossmütter, Grossväter, Onkel und Tanten vermittelt uns Schätze und Wissen der Ahnen, durch ihre Präsenz und die Art, wie sie sich unserer annehmen. Feiern und Rituale, die wichtige Stationen im Leben markieren, bringen Mitglieder zusammen und sind Ausdruck der speziellen Atmosphäre von Intimität und Zusammenhalt in dieser Familie. Wir verstehen die Welt also zunächst von unserem Platz in der Familie, in der wir aufwachsen. Während der Ablösungsprozesse des Erwachsenwerdens entstehen dann unsere weiteren Erkenntnisse darüber, was es bedeutet, allein zu sein, aus diesem Verbund herauszutreten und sich in selbstgewählte neue „Gesellschaft“ zu begeben. Wir definieren uns neu, mit eigenen Werten und Visionen. Noch als Erwachsene finden wir uns nachhaltig geprägt davon, wie uns in der Familie begegnet wurde, z.B. wenn wir traurig, wütend, lustig waren oder „Schwierigkeiten machten“? Und wie lernten wir, uns selbst und anderen zu vertrauen? Die verwirrenste Kraft der Familie ist die Verstrickung. Das ist, wenn die enge Verknüpfung miteinander dazu führt, dass wir bedenkenlos Vorgaben folgen, was zu uns gehört und was nicht, und uns damit quasi in unser Kind-sein zurückziehen. In seiner weisheitsversperrenden Form wird das Versprechen von Liebe und Zuhause eingetauscht gegen Kleingeistigkeit, Abgrenzung („Die und Wir“) und Rückzug in die eigenen vier Wände („cocooning“). Weil wir es nicht wagen dürfen, selbstständig zu entscheiden und Verantwortung für unsere Entscheidungen zu übernehmen, können wir auch nicht die Würde erfahren, in unserer Einzigartigkeit wahrgenommen zu werden. Deswegen ist die grösste Übung in der Familie, eine Kultur von Wachheit zu kreieren, die es erlaubt, jedem einzelnen Mitglied Respekt und Akzeptanz entgegenzubringen und darüber hinaus, in der Familie angesammelte Weisheit und Schätze für andere zu öffnen und mit Ihnen zu teilen. Dies ist, was wir direkt und jederzeit üben können, unabhängig von der Grösse oder Beschaffenheit unserer Herkunftsfamilie. Es kommt darauf an, dass wir diese Weisheits-Kraft in unserem Alltag erkennen. Dann gibt es eine Wahl: ob wir sie absichtsvoll integrieren oder ob wir uns ihrer verwirrten Form ergeben wollen.

 

Text: Sabine Rolf

Bild: Hiltrud Enders (Miksang Lehrerin)

Blog Redakteur: Dennis Engel

 

 

Über Sabine Rolf

me_5070-oofzSabine Rolf ist 56 Jahre alt. Sie ist Germanistin und Philosophien und arbeitete in Leitungsteams von Bildungsträgern im Umweltbereich- und der Erwachsenenbildung. Sie ist Acharya in der Shambhala-Linie und lehrt europaweit zu Themen des Buddhismus, Shambhala und der Kontemplativen Psychologie, sowie Seminare zur achtsamen Kommunikation. Seit 1990 ist sie Shambhala Buddhistin. Als Kind liebte sie schon Geschichten von Jesus Christus und anderen Heiligen. Dann als Erwachsene weiter auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, blieben ihre Fragen zunächst jedoch im Philosophie- und Literaturstudium unbeantwortet. Als sie dann im Januar 1990 zufällig ein Shambhala 1 Wochenende in Hamburg besuchte, wusste sie, hier ist das was sie suchte. Nachdem sie viele Jahre in Köln wohnte, lebt sie nun in Ostwestfalen. Sie besucht das Kölner Shambhala Zentrum immer noch gerne und regelmäßig, um dort Seminare und die Lehrerjahresgruppe zu unterrichten.